Logo des Steppengarten

Pflanzenliste von 1953

Als wir 2011 mit der Pflanzenauswahl begannen, kannten wir die originale Pflanzenliste von Willy Alverdes noch nicht. Deshalb suchten wir Pflanzen aus, die dem Standort gerecht werden, leicht anzuziehen sind und im besten Fall schon im ersten Jahr einen guten Eindruck machen. Dabei ließen wir uns vom Bild der Steppe, also wogenden Gräsern und leuchtenden Zwiebelpflanzen im Frühling, leiten. Bei Recherchen im Grünflächenamt fand Bernd Krüger dann die Pflanzliste von 1953. Daraus lernten wir, dass Alverdes Wildpflanzen wie Dorniger Hauhechel, Strandroggen, Elfenbeindistel oder Kaukasus-Katzenminze mit tiefblauen Bartiris und leuchtendroten Parkrosen kombinierte.

Wir versuchen nun, die originalen Rosensorten zu finden (nicht alle sind mehr im Handel), ersetzen die 2009 gepflanzten blassen Iris nach und nach und orientieren uns mit der Pflanzenauswahl an Alverdes' Liste. Wobei viele Abstriche gemacht werden müssen, da der aufgebrachte Oberboden für S-Strategen nicht geeignet ist und große Teilflächen nach 60 Jahren Baumwachstum verschattet sind.

Charmante und aus heutiger Sicht vorbildhafte Details wie die Uferbepflanzung am Goldfischteich oder die Silbergraswiese auf der östlichen Seite sind im Zuge der denkmalpflegerischen Maßnahmen nach 2000 verloren gegangen. Wir würden die Wiedergewinnung auch der intuitiven Wegeführung nach Alverdes sehr begrüßen.

Wiederherstellung / Rekonstruktion 2008 / 2009

Im Zuge der Umgestaltungen des östlichen Tiergartens wurde für den Steppengarten ein Pflanzplan entwickelt, der 2009 in Abstimmung mit dem Bezirksamt und dem Landesdenkmalamt ausgeführt wurde. Laut Pflanzenliste wurden ca. 16.000 Pflanzen gesetzt. Die Pflanzenliste von 2009 nimmt das Thema der nährstoffarmen Steppe in weiten Teilen auf. Viele Pflanzen bevorzugen eher sandige und trockene Böden. Die zusätzliche Gabe an Oberboden hat dazu geführt, dass sich z. B. der Wiesensalbei ungewöhnlich stark entwickelt hat. Flächen aus Teppichthymian, Grasnelken und Felsennelke konnten sich auf dem nährstoffreichen Substrat weniger gut behaupten. Eine Mulchschicht, die die Pflanzen schützen und einen Vorsprung gegenüber 'Unkräutern' geben würde, gab es nicht.

Unsere Kartierung aus dem Frühsommer 2011 auf Basis des Pflanzplanes zeigt erhebliche Ausfälle. Ca. 1/3 der Pflanzen sind komplett ausgefallen. Weiterhin sind 1/3 in absehbarer Zeit kaum zu halten. Die massiven Ausfälle und die Schwierigkeiten in der Pflanzenauswahl haben uns bewogen, das Bepflanzungskonzept von 2009 nicht zu wiederholen.

Aussaaten Gewächshaus im Sommer 2011

In Zusammenarbeit mit dem Studiengang Gartenbau der Beuth Hochschule für Technik Berlin haben wir im Sommer 2011 im Gewächshaus auf dem Campus in der Luxemburger Straße Stauden und Gräser ausgesät. So konnten wir ca. 3600 Pflanzen für die Pflanzaktion im April 2012 im Steppengarten vorziehen.

Darunter waren die Gräser Festuca mairei , Panicum virgatum ‘Emerald Chief’, Sorghastrum nutans ‘Indian Steel’, Sporobolus heterolepis ‘Winsconsin Strain’, Sporobolus airoides und Stipa tenuissima, die nach Anlaufschwierigkeiten inzwischen gut wachsen und uns viel Freude machen. Bewährt haben sich auch die Stauden der ersten Stunde Erodium manescavii, Gaura lindheimeri „Summer Brize“, Helenium autumnale und Helenium autumnale 'Helena Red Shades', Knautia macedonica und Scabiosa ochroleuca. Verbena hastata „Pink Spires“ war im ersten Jahr ein großer Erfolg und wandert nun durch den Garten, allerdings viel kleiner und blasser. Viele Astern haben die Kaninchen gern gefressen. Echinacea purpurea und Sorten haben bisher nicht funktioniert.

Große Pflanzung am 28. April 2012

Der überwiegende Teil der Aussaaten ist aufgelaufen und hat sich gut entwickelt. Aufgrund der unterschiedlichen Bodenverhältnisse gehören die Pflanzen in ihren Ansprüchen weniger zu einer „Steppenvegetation“. Bei der Auswahl wurde mehr darauf geachtet, dass eine breitere Toleranz den Boden- und Lichtverhältnssen gegenüber herrscht. Weiterhin spielten Blühaspekte eine große Rolle.

Am Pflanztag wurde es innerhalb kurzer Zeit sehr warm, ca. 25 Grad. Für eine Pflanzung nicht unbedingt optimal, zumal der Wasseranschluss am Wochenende abgeschaltet wird. Ohne all die fleißigen Helferinnen, die sämtliche Pflanzen getaucht und schließlich mit schweren Gießkannen aus dem benachbarten Venusbasin kräftig angegossen haben, hätte es nicht geklappt.

Zu den ca. 3600 Pflanzen aus dem Gewächshaus kam noch eine Spende der Baumschule Lorberg von ca. 400 Stauden und Gräsern.

Aussaaten Februar 2013

Wir wollen das Spektrum erweitern und probieren aus. Von den ausgesäten Pflanzen haben sich bewährt:
Antriscus sylvestris „Raven's Wing (fast zu trocken, aber versamt sich tapfer), Aster divaricatus, Lavandula angustifolia (officinalis), Ruta graveolens, Santolina rosmarinifolia (wurde zwei Jahre lang von den Kaninchen auf 5cm gestutzt und entwickelt sich nun prächtig).

Pflanzungen 2012-2015

Seit mehr als vier Jahren arbeiten wir uns Stück für Stück vor: Flächen, die seit der Pflanzung 2009 nicht funktionierten, räumen wir abschnittweise frei, wir kaufen Saatgut und ziehen die Pflanzen an. Im Frühling wird - meist mit vielen fleißigen Helfern - gepflanzt. Da es keine Mulchschicht gibt, müssen wir regelmäßig Unkraut jäten und wässern, um den kleinen Pflänzchen einen Startvorsprung zu geben. Dabei müssen wir nicht nur die Konkurrenz der Pflanzen 'ausschalten'. Gleichzeitig haben wir es mit hungrigen Feinschmecker-Kaninchen zu tun, Hunden, die am liebsten in der frischen Pflanzung toben und Spaziergängern, die die wenigen Blüten gern mit nach Hause nehmen.

Die schattigen Ränder

Die anfangs sehr sonnige Fläche ist nun nach 60 Jahren von hohen alten Bäumen umgeben. Das führt zu gänzlich veränderten Standortbedingungen in den Randbereichen, auf die wir uns einstellen müssen. Wir haben es jetzt mit halbschattigen und trockenen Flächen zu tun, für die es die geeigneten Pflanzen zu finden gilt. Im Herbst 2013 pflanzten wir eine Mischung, die teilweise funktionierte. Gut gefallen haben uns Heuchera villosa var. macrorhiza (ein Tip der Staudengärtnerei, Till Hofmann und Fine Molz - danke!), Tanacetum macrophyllum und die Gräser Brachypodium sylvaticum (wird manchmal lästig) und Deschampsia flexuosa. Andere haben sich etabliert, leiden jedoch unter Trockenphasen im Sommer, um dann aber im nächsten Jahr wiederzukommen - z.B. Silberkerzen, Digitalis lutea und Wiesenkerbel. Ein weiteres Problem unter der Kiefer sind die vielen Nadeln, die von keiner Pflanzung bisher zufriedenstellend 'geschluckt' werden. Wir wollen weiter beobachten, wie die Pflanzen sich unter widrigsten Bedingungen entwickeln - im trockenen Schatten ohne Bewässerung.

Versuchsfläche 2016

Eine Fläche von ca. 200qm, die stark verkrautet war, haben wir von einer Firma abschieben lassen. Wir haben mineralischen Mulch, teils Kies, teils Sand aufbringen lassen, einen Kanichenzaun außenrum gebaut und neu bepflanzt. Seitdem entwickeln sich die Stauden und Gräser sehr gut. Der Pflegeaufwand ist minimal. Diese Methode ist nicht neu und wir haben sie nicht erfunden. Wir fragen uns, warum man darauf bei der Neuanlage des Steppengartens 2009 verzichtet hat.

Planung 2017 und Ausblick

Wir wollen eine zweite Versuchsfläche einzäunen, um unsere Pflanzen zu schützen und unsere Kräfte zu schonen. Um den restlichen Steppengarten können wir uns nicht mehr kümmern. Dann eröffnen sich verschiedene Szenarien:


A) es interessiert weiterhin niemanden, was auf der Fläche passiert

B) das Amt rafft sich auf, aus Gründen der Verkehrssicherheit die Fläche regelmäßig abzumähen

C) nach 5-7 Jahren wird wiederum alles abgerissen und neu gebaut

Alle Szenarien bedeuten den Verlust des Gartendenkmals. Um das zu vermeiden, könnte man:

  • kompetentes Personal einstellen, Nachwuchs ausbilden,
  • gartendenkmalpflegerisches Ziel formulieren und Pflegeplan erstellen,
  • den Bezirk verpflichten, das Budget für Grünpflege auch nur dafür auszugeben,
  • Einnahmen aus Großveranstaltungen am Brandenburger Tor für die Reparatur des Tiergartens ausgeben.

2018

Nachdem im Winter ein Kaninchenzaun gebaut wurde, der die gesamte Fläche einschließt, gelingt es vielen fast schon vergessenen Pflanzen, zu wachsen und zur Blüte zu kommen.

2020

Der Steppengarten entwickelt sich langsam so, wie wir ihn haben wollen. Seit Ende des Winters folgen immer wieder schöne üppige Blühaspekte. Viele BesucherInnen erfreut sehr, dass sie jedes Mal etwas neues entdecken können. So wird der Jahresverlauf mit allen Sinnen wahrnehmbar - für manche eine sehr emotionale Erfahrung.

Für uns ist ebenso wichtig, dass unser Konzept aufgeht. Wir haben eine Pflanzenauswahl entwickelt, die standortgerecht nun seit längerer Zeit stabil ist. Lücken füllen wir mit Pflanzen dieses Spektrums. Wir sind optimistisch, dass wir ab nun ohne zusätzliche Bewässerung auskommen. Das Grünamt ist informiert, dass der Sprenger nicht mehr angestellt wird. Trotzdem haben wir die Option, punktuell mit unserem Schlauch zu wässern, z.B. die Gilenia oder Cimicifuga, die erst im letzten Jahr gepflanzt wurden. Auch Rudbeckia maxima braucht eigentlich mehr Wasser, aber die möchten wir unbedingt dabei haben. Deshalb werden diese eindrucksvollen Stauden bei Bedarf besonders gepäppelt. Die Wurzeln der älteren Pflanzen reichen aus, um sich unter der Schutzschicht aus Sand zu versorgen. Das 'Unkraut' soll an der Oberfläche vertrocknen.

Der Steppengarten zeigt, dass schöne Gärten im öffentlichen Raum möglich sind, wenn man einige Regeln beachtet. Wir würden uns freuen, wenn unsere Erfahrungen dazu führen, bald mehr üppige Blütenmeere in Berlin zu sehen. Die vielen positiven und sehr herzlichen Rückmeldungen am Gartenzaun bestärken uns in der Überzeugung, dass das auch nötig ist und dankbar angenommen wird.

Steppengarten im September (Kieback 2019)